Gestern war der 8. März

Übermüdet und erschöpft sollte man sich nicht mehr äußern, I know. Und dass ich mir jetzt nicht gerade Freund*innen mache, weiß ich auch. Im Folgenden spreche ich nicht von Gleichmacherei. Sondern vom ’sich verhalten zu‘ Wesen. Es gibt Trennungen. Es gibt nützlich und schädlich, hinderlich und förderlich, friedvoll und gewalttätig, usw. Das kann und will ich nicht wegreden. Im Gegenteil. Das sollte Orientierung bieten. Diese Trennungen hängen jedoch niemals davon ab, welcher „Gruppe“ man angehört. Allenfalls nutzt man umgekehrt die Kriterien, um sich entsprechenden Gruppen anzuschließen oder anzugehören.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ethische Überlegungen immer dem Individuum (nicht nur dem menschlichen) gelten müssen, nicht aber Gruppen. Denn leiden kann nur das Individuum, auch als Teil einer Gruppe, nicht aber eine Gruppe an sich. So, wie Liebe immer dem Individuum gilt, auch vielleicht den Individuen einer Gruppe, nicht aber einer Gruppe selbst. Ethische Überlegungen zugunsten von Gruppen sind allenfalls Krücken. Schlechte Krücken.

Wir sollten nicht aufbegehren für oder gegen diese oder jene Gruppe, sondern gegen Falsch- und Ungleichbehandlung von Einzelnen. Und dafür einen entsprechenden Rahmen nutzen, wo vorhanden, und schaffen, wo er fehlt; einen Rahmen, der Handeln ermöglicht. Einen Rahmen, der nicht an der Gruppenzugehörigkeit anknüpft, sondern am Wohl des Wesens. Ungerechtigkeit gegen Schwarze in den USA, gegen Deutsche in Russland, gegen Frauen im Iran, gegen Frauen oder Menschen anderer Staatsangehörigkeit in Deutschland, oder was auch immer, sind letztlich Ungerechtigkeiten gegen Individuen. Weil sie schwarz sind, deutsch sind, nicht deutsch sind, Frau sind, … Nicht die Gruppenzugehörigkeit ist das Problem, sondern die kontextuale Einordnung in eine Gruppe.

Solange wir in Sprache, Recht, Gedanken und in unseren Herzen trennen, solange trennen wir. Solange werden wir die Trennung nicht überwinden. Und damit auch nicht die Willkür gegen Einzelne, nur weil sie einer Gruppe zugeordnet werden können.


P.S., weil meine Überschrift insofern missverstanden werden kann: Ich bin aus den genannten Gründen kein Befürworter des Tags der Frau. Solange es keine Selbstverständlichkeit ist, dass man sich einem Menschen gegenüber anständig verhält, wenn dieser eine Frau ist, sollten wir uns darum bemühen, solche Trennungen zu überwinden.

22 Gedanken zu „Gestern war der 8. März

  1. Guten Morgen Stefan
    Ein Mensch ist ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger.
    Solange dies aber nicht jeder so sieht, wird es bestimmte Aktionen und Rebellionen brauchen um vorwärts zu kommen.
    In manchen Bereichen wird völlig übertrieben, Beispiel Gendern, in anderen bewegt sich kaum etwas zum Positiven.
    Liebe Grüße zu dir und einen guten Start ins Wochenende. 🙂🐾🍀

    Gefällt 3 Personen

  2. „Dass ethische Überlegungen immer dem Individuum gelten müssen“ und alles was daraus folgt. JA!!! Ich unterstreiche diesen Satz dick und fett! In der Strafjustiz hat er sich längst eingebürgert, da wird das Individuum befragt nach Absichten und Umständen, Zurechnungsfähigkeit und vorangehendem Verhalten. Das steht nicht im Gegensatz zur „Gleichbehandlung vor dem Gesetz“. Denken in Gruppenzugehörigkeit ist ein archaischer Rest. Solche archaischen Vorrechte und Nachteile durch Rassen-, Volks- und Geschlechtszugehörigkeit, Sippenhaft, Geburtsrechte durch Adel, Kasten etc gibt es freilich immer noch zu Hauf, und sie behindern (oder befördern) das Individuum in seiner Entfaltung. Die Behinderungen aufzuheben, ist eine wichtige Forderung. Insofern ist auch der Kampf für die Freiheit der Frau, ihre Lebensverhältnisse selbst zu bestimmen, weiterhin notwendig.

    Gefällt 5 Personen

  3. Ich lasse hier Ustad Zakir Hussain sprechen, weil er – vor dem Hintergrund einer Zusammenarbeit von Musikern aus ganz unterschiedlichen Traditionen – etwas sehr Wesentliches ausdrückte, was sich leicht auch in andere Lebensbereiche übersetzten lässt: „I had all these preconceived ideas of what we would do and how we would make it work. But the more I think about this the more I’ve come to feel that we’re musicians. We’re the same the world over. If you put us in a room together, we’ll make music…There’s no meter that hasn’t been played, no rhythm that hasn’t been composed. It’s the musicians’ own qualities that allow them to make music different – that’s what’s exciting about this project for me. It’s fresh music sparked by the humanity of those involved.“

    Von der für mich musikalischen Neuentdeckung in diesem Beitrag bin ich sehr angetan. Ganz lieben Dank auch dafür. 🙂

    Mit einem herzlichen Nachmittagsgruß 🐻

    Gefällt 4 Personen

    1. Wunderbare Worte von Hussain, die auf ihre Weise sagen, was ich meine. Ganz lieben Dank dafür!
      Julia Perry war auch für mich eine Neuentdeckung. Ich stieß zuerst auf ihr Preulde for piano und war fasziniert, dann auf ihr Stabat Mater, das ich mir mittlerweile mehrfach angehört habe, so tief und schön ist es.
      Dankbare und liebe Grüße auch an dich zum Nachmittag! 🙂

      Gefällt 2 Personen

  4. Zur spannenden Musik von Julia Perry : wer ist die Sängerin? Ich hab sie einfach nicht gefunden!
    Sie selbst?
    Ich hab’s auch versucht, deinen Gedankengängen zu folgen. So ganz gelingt mir das nicht.
    Es kommt mir dabei vor allem, dass Frauen selbst zusammen gekommen sind um gemeinsam für Menschenrechte, Gleichberechtigung und Menschenwürde zu kämpfen. Wir wären jede einzelne nie so weit gekommen wie zusammen. Manche Feiertage mag ich auch nicht so besonders. Aber der Tag der Frau ist ja nur in Berlin Feiertag. Ich find’s gut und wenn ich mitbekomme, dass das Thema wenigstens einen Tag lang in Zeitungen ganze Seiten voll macht, den TVabend gestaltet und Frauen mit Männer gemeinsam auf die Straßen gehen, mag ich diesen Tag. Sie setzen sich doch sowohl für einzelne Frauen wie für Frauen allgemein ein.
    Liebe Grüße an dich, Petra

    Gefällt 1 Person

    1. Lieben Dank für deine Gedanken, liebe Petra!
      Julia Perry ist die Komponistin. Ich habe sie zu diesem Beitrag gewählt, weil sie eine Frau und dunkelhäutig ist. Die Musik ist schlicht großartig. Das sollte entscheidend sein, nichts anderes. Da sollten wir hin. Die Sängerin ist Makiko Asakura.
      Ich erlebe, dass die Trennungen, die mit solchen Gedenktagen (und Aktionen) vorgenommen werden („hier die Frauen, dort die Männer“ z.B.) genau die Trennungen verfestigen, welche eigentlich überwunden werden sollen. Gruppen ins Visier zu nehmen, war anfangs (z.B. damals zum Frauenwahlrecht) sicher notwendig. Auf Dauer ist das aber hinderlich, ja kontraproduktiv. Ich erlebe, dass die „Gruppe“ der Männer mittlerweile teilweise beginnt, die „Gruppe“ der Frauen misstrauisch zu beäugen, bspw. Auch wenn das wegen der „political correctness“ nicht laut ausgesprochen wird. Wir sollten verinnerlichen, dass es nicht darum geht, ob Mann oder Frau, sondern dass um den einzelnen Menschen geht, völlig egal, welcher „Gruppe“ er angehört.
      Liebe grüße an dich!

      Gefällt 1 Person

      1. Lieben Dank für die Info.
        Irgendwie kommen wir beim Frauentag nicht zusammen. Macht aber nichts. Und längere Ausführungen hier möchte ich mir und dir auch nicht dazu zumuten. Verschiedene Meinungen gibt’s halt . Ist für mich okay! Liebe Grüße, Petra

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar